1.600 Höhenmeter, 18 Kilometer Wegstrecke
Gabriel ist in einer Beziehung mit dem Großen
Priel und es ist kompliziert
Von Gabriel Egger
Das Hochgefühl weicht mit dem ersten Schritt in den Schatten, der sich wie ein vertrauter Feind zwar als Widersacher, aber nicht bösartig präsentiert. Er kennt das Spiel genauso wie ich. Wie Kater Karlo und Mickey Mouse stehen wir uns gegenüber. Mehr neckisch, weniger feindselig. Die Spuren im Schnee werden von einer glänzenden Schicht Eis verhindert, die knallroten Laufschuhe spiegeln den Gemütszustand wider. Rot, die Farbe des Zorns, aber auch der bedingungslosen Liebe. Beides stimmt.
"Autsch, das tut weh" denkt die Kuh, nachdem sie versucht hatte auszubüchsen und sich die Schnauze am elektrischen Zaun gestoßen hat. "Ich probier es einfach nochmal"
"Autsch, tut das weh" denkt die Kuh, nachdem sie versucht hatte auszubüchsen und sich erneut die Schnauze am elektrischen Zaun gestoßen hat. "Naja, vielleicht wird es ja jetzt besser"
"Autsch, tut das weh", denkt die Kuh, nachdem sie versucht hatte auszubüchsen und sich ein drittes Mal die Schnauze am elektrischen Zaun gestoßen hat. "Ach, beim nächsten Mal klappt es bestimmt."
Man stelle sich vor die Kuh wäre ein Mensch und der Zaun wäre das frisch verschneite Tote Gebirge. Die Geschichte kann beginnen.
Immer wenn der Schnee kommt, sich aber noch nicht entscheidet endgültig hier zu bleiben, wird die Beziehung zwischen dem Großen Priel und mir auf eine harte Probe gestellt. Facebook würde vorschlagen, den Beziehungsstatus auf "Es ist kompliziert" zu ändern. Und das, obwohl der mit 2.515 Meter höchste Berg des Toten Gebirges und ich ohnehin schon eine Fernbeziehung führen. Alle zwei, drei Monate sehen wir uns, verbringen einen wunderschönen Tag miteinander. Bei Sonnenschein lachen wir gemeinsam, bei Regen und Wind kuscheln wir uns zusammen, in der Nacht betrachten wir gemeinsam den Sternenteppich und mit einer Besteigung kommt schließlich auch das Körperliche nicht zu kurz. Sogar die vielen Seitensprünge verzeiht er mir. Doch wenn der Partner übermütig wird und zu viel will, ohne dafür etwas zu tun, dann kommt es zur Krise, oder gar zum Beziehungsende. In diesem steinernen Fall wirft er dich einfach ab.
Der Nebel hängt noch tief über dem Weltcuport Hinterstoder, als wir den verlassenen Parkplatz bei der Polsterlucke erreichen. Das Fehlen der tschechischen Kennzeichen verwundert, ob des langen Wochenendes doch ein bisschen, auch, dass sich hier sonst niemand das Hirngespinst "Priel" eingebildet hat.
Über dem Nebel, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.. |
Ich erhöhe mein Tempo und stehe nach 65 Minuten vor dem Winterraum des Prielschutzhauses. Die Sonne wärmt den Körper unter den nassen Kleidern und ein Blick hoch ins Kühkar verspricht abenteuerliche Spurarbeit.
...und das ist sie! |
Das Prielschutzhaus mit Blick zum Brotfall |
Die Spuren der Vorgänger sind zwar schön anzusehen, wie sie verschiedene Muster in den Schnee gezaubert haben, wirklich hilfreich sind sie nicht.
Mühsame "Nachspurarbeit" |
Plötzlich enden die Spuren. Doch das ist nicht schlimm, denn was jetzt kommt, ist die Fortsetzung des Tagtraumes. Der ausgedehnte Schneeteppich erinnert an eine große Welle, der aufgefirnte Schnee lässt uns ohne Probleme darauf reiten. Es ist einer jener Momente, bei der sich Leere im Kopf als Glück äußert. Nichts zählt, nur das hier und jetzt. Der Schnee und dein Abdruck darin.
Meer, oder doch Totes Gebirge? |
Wellenreiten |
Wie klein wir doch sind |
Der erste Blick in die Brotfallscharte, einem seilversicherten Steilaufschwung, ist ernüchternd. Das Eis glänzt sogar im Schatten. Da werden auch die mitgebrachten Schneeketten nicht viel bringen. Die bringen überhaupt nicht viel. Seltsame Erfindung. Gut, wenn man sie für die falschen Zwecke einsetzt liegt die Schuld nicht bei den Ketten. Wenn man im Winter bei Eis spazieren gehen möchte, können sie schon ganz hilfreich sein. Im Hochgebirge bei Blankeis ziehen sogar die die Krallen ein.
In mühevoller Kleinstarbeit queren wir die völlig vereisten Hänge bis zum ersten Seil, dessen Ende wenige Zentimeter aus dem Schnee ragt. Immer wieder rutschen die Füße weg, das acht Meter hohe Kreuz am Gipfel scheint höhnisch zu lachen.
Die Brotfallscharte |
Die Kletterer sind noch immer nicht viel weiter gekommen. Mit besorgter Miene blicke ich ein letztes Mal hinauf zum verschneiten Grat.
Der Blick zurück |
"Ich verspreche dir, das kommt nie wieder vor. Ab jetzt wirst du keinen Grund mehr haben, dich über mich zu beschweren".
Der Große Priel glaubt es nicht, aber er verzeiht.
Um Verzeihung bitte ich auch euch , da das folgende Fotoalbum keine Gipfelfreuden beinhaltet :
Top! Auch diese Storys wollen wir lesen! #waytogo
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